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Fernwärme Neukölln | Ostkreuz im Regen © Kai von Kröcher, 2017 |
The glitter rubs right off and you're nowhere. +++ Die Geschichte mit der Insel war jedenfalls die: Ich hatte den Namen nie vorher gehört. Oder wenn, dann irgendwann wieder vergessen. Unterhalb Sylts sollte sie irgendwo liegen, in der Nähe von Amrum. Man nahm die Fähre rüber von Husum. Ich stellte sie mir klein, rund und flach, auf das Wesentliche reduziert vor: Ein Baum, ein hölzerner Hochspannungsmast, zwei Straßen, die sich in ihrem Mittelpunkt kreuzten. Von dem einen Tellerrand konnte man locker rüber zum anderen schauen, hier und da ein paar Häuser. Ich hatte gehört, es gebe zwei Leuchtturmwärter, beidesamt Aussteiger. Aussteiger aus irgendwas. Eine frühere Managerin, die führt ein Café. Besser gesagt: friesisches Teehaus. Dann der Polizist, Dienst nine to five, five Days a Week. Auf dem Polizeirevier in Husum sagen sie ehrfurchtsvoll: "Die Insel der Gesetzlosen." Fährt der inselbekannte Inseltrinker wieder sein Auto einmal in den Graben, steht bald der Polizist in der Tür und mahnt: "Wenn die Karre in zwei Stunden da nicht weg ist, muss ich tätig werden!" +++ Okay, ich fand, das klang sehr sympathisch. +++ Sollte man die Öffentlichkeit wirklich miteinbeziehen in einen Entstehungsprozess? Sich in die Kunst reinreden lassen: "Ja, aber, warum?" +++ Ich hatte mir gestern das eine Bild noch mal vorgeknöpft. Zur Hälfte gedreht, und neu ist jetzt immer die Linie. Wie sähe das groß in der, sagen wir mal, Galerie aus? Wäre der Trennstrich dann nicht vielleicht besser schwarz? Lässt man ihn lieber weg? Wo wart IHR, als Sid Vicious starb?! +++ Jedenfalls kamen wir an auf der Insel, wir hatten mit der Fähre übergesetzt, der Himmel war strahlend blau. Wir machten einen beinah nicht enden wollenden Spaziergang zum Leuchtturm, und bevor wir überhaupt ankamen, hatte ich mir eine Blase gelaufen. Warum ich fürs Meer nun ausgerechnet die alten Biker Boots herausgekramt hatte, das musste mir auch erstmal einer erklären. Jedenfalls sagte die junge Frau zu mir, mit der ich elender Glückspilz den Urlaub verbrachte: "Setz dich so lange in das Strandcafé und warte – ich hole das Auto und hol dich dann da ab!" Das Café war eine Bretterbude ohne Hang zu überflüssiger Deko, dafür mit einer exquisiten Whisky-Auswahl. Über dreißig verschiedene Single-Malts. Außer mir nur der Wirt und zwei dicke Gäste, die redeten über ein Boot. Später kam noch ein Dritter aus Kaiserslautern dazu, der schätzte an der Insel besonders, dass sie noch keine "TBZ" sei, wie er meinte – türkisch besetzte Zone. (Der Wirt murrte an dieser Stelle auf – am Kottbusser Tor früher hätten ihn auch nie die Türken gestört.) +++ Heute Abend spielen übrigens Katze in Moabit. +++ Wenn man zum Beispiel mal Golden Years nimmt, von David Bowie. Ich habe da irgendwo wo mal seinen Gitarristen drüber Nähkästchen plaudern gehört, wahrscheinlich im Internet. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, wer das doch gleich noch mal war – Carlos Alomar möglicherweise. Jedenfalls hatte ihm Bowie damals die Akkorde rübergeschoben und dann gemeint: "So, jetzt spiel mal!" Und dann klang das am Anfang wie On Broadway von George Benson. Und erst durch die Arbeit daran wurde das nach und nach zu Golden Years, trotz unveränderter Akkordfolge. Und hätte man das jetzt öffentlich gemacht wie in einem Töpfer-Kurs, dann hätten wieder welche da draußen an den Internet-Empfangsgeräten gemault: "Das klingt ja voll wie George Benson!" +++ Auf jeden Fall saß ich dann da so. Zeigte ein bisschen Interesse für die Eigenarten der Insel, aber so recht wollte ein Gespräch nicht in Schwung kommen. Der eine der beiden Dicken, Rolf hieß er, war fixiert auf sein Boot. Zweitausend Euro wollte er dafür haben. "Einsvier, Rolf – mehr kriegst du da nicht für!", sagte der andere. Der TBZ-Typ aus Kaiserslautern aber wollte sich das Teil am nächsten Tag zumindest gerne mal anschauen. Irgendwann zahlte Rolf und stand auf. Sekunden später rumpelte es hinter mir heftig, und der andere Dicke sprang auf und versuchte Rolf aufzuhelfen. Der lag eingeklemmt auf dem Rücken zwischen der Pressholzwand und einem Stehtisch. Der Typ aus der Pfalz musste ebenfalls mit anfassen, allein war da nichts auszurichten. Als Rolf endlich den Weg raus auf den Parkplatz geschafft hatte, meinte der Wirt: "Was willste da machen – wenn du ihn nach Hause fahren willst, wird er aggressiv!" "Ja", sagte der Dicke: "Und Auto fahren kann er besoffen immer noch besser als laufen!"
Überschrift inspired by: Golden Years © David Bowie, 1975
Überschrift also inspired by: Du bist meine Freunde © Katze, 2010
Lyrics: On Broadway © George Benson, 1978 (Cover)
Eight Days A Week © The Beatles, 1964
Sid Vicious (*16.12.1960 in West Memphis/Arkansas als Sidney Ray Eudy), Wrestler
Katze | Neue Nachbarschaft | Beusselstraße 26 | Berlin-Moabit | 23:00 Uhr | Eintritt frei
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